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Torten gegen Getriebe getauscht

Traumhafte Tortenkreationen und herrlich saftige Kuchen – das waren Dinge, die seit Andrea S.ss fünfzehntem Lebensjahr den beruflichen Mittelpunkt der gelernten Konditorin bildeten. Zehn Jahre arbeitete sie in diesem Bereich – immer auf Saison. „Sommer, Winter gemischt. Aber das hat mich dann nicht mehr gefreut, weil man immer wieder was Neues suchen muss“, erzählt die junge Frau. Irgendwo tief in ihr drinnen schwelte das Feuer einer ganz an deren Leidenschaft – Autos, Motoren und Mechanik: „Ich wollte ja auch vorher aufs TGM gehen, aber die haben mich leider nicht genommen.“

Der Dreißiger war für die Technikbegeisterte eine Art magische Grenze: „Ich hab‘ mir gesagt, wenn ich es schaff‘, bis ich 30 bin, dann mach‘ ich das, und wenn nicht, dann bleib‘ ich halt Konditorin. Weil dann bringt’s mir nix mehr, wenn ich eine Lehre beginn“, ging sie ganz pragmatisch an die Sache heran.

Eine großgewachsene junge Frau mit rötlichen langen Haaren im karierten Hemd

Als wieder eine Saison vorbei war, meldete sie sich beim AMS arbeitsuchend und wurde 2018 zum FiT-Programm des AMS Wien zugebucht. Im Rahmen einer Orientierungsphase konnte Andrea S. nochmals erkunden, was ihr gefällt, Alternativen suchen und Bewerbungen schreiben. Zunächst sah es ziemlich traurig aus, denn die Firmen, bei denen sie sich um eine Lehrstelle bewarb, hatten keine Plätze mehr frei: „Also ich hab‘ eigentlich nicht mehr damit gerechnet“, gesteht sie.

Aber dann ging plötzlich alles ganz schnell: „Ich bin im Internet auf MAN gestoßen und hab‘ mir gedacht, egal, ich bewerb‘ mich da jetzt einfach.“ Sie absolvierte einen Schnuppertag, konnte gleich ein Kennenlern-Feriencamp der angehenden Lehrlinge besuchen – und innerhalb eines Tages entschied die Firma, dass sie Andrea S. als Lehrling aufnimmt! „Alle haben gesagt, dass sie schon Lehrlinge haben… Und dann war es genau dort, dass noch ein Lehrling gefehlt hat! Und das war dann ich. Das war Schicksal“, erinnert sich die junge Frau fröhlich lächelnd.

Durch diese schnelle Entscheidung konnte S. die vielfältigen Angebote, die Möglichkeiten, die dieses Programm bietet, gar nicht besonders ausgiebig nutzen. Das FiT-Programm ist ein AMS-Förderprogramm, um mehr Frauen in Handwerk und Technik zu bringen. „Einstieg ist immer über das FiT-Zentrum“, erläutert Projektleiterin Corina Exenberger. In einer Clearingphase, die bis zu fünf Wochen dauert, orientieren sich die Teilnehmerinnen und sondieren die Optionen. Wer sich für eine Lehre entscheidet, wird im Rahmen der FiT-Lehrstellenförderung beraten. Sobald die Kundinnen wissen, wo es beruflich hingehen soll, kann ein Karriereplan erstellt werden und ab diesem Zeitpunkt werden die Kundinnen auch bei uns in die ABZ*FiT-Frauenberatung aufgenommen“, erklärt Exenberger den Ablauf. Ab dann wird jede Teilnehmerin von einer Beraterin bis zum Abschluss der Qualifizierung begleitet – „da haben wir wirklich teilweise sehr, sehr lange Betreuungsverhältnisse“, weiß Exenberger, zumal es auch die ABZ*-FiT.Absolvent*innenberatung gibt, in deren Rahmen bei der Jobsuche unterstützt wird. „Die Beraterin fragt immer wieder mal nach, ob alles passt, ob es Fragen oder Probleme gibt. Und falls es welche gibt, wird darauf geschaut, dass man gemeinsam Lösungen dafür findet.“ Egal, ob das „Motivationslöcher“ sind, schwierige Situationen in der Firma, Betreuungspflichten oder andere Herausforderungen – die Beraterin kann stets kontaktiert werden.

Eine kurzhaarige Frau und eine Frau mit langen, rötlichen Haareb.
Projektleiterin Corina Exenberger freut sich mit Nutzfahrzeugtechnikerin und Systemelektronikerin Andrea S. über deren Erfolg.

„Während der Ausbildung habe ich immer wieder kurze Gespräche gehabt. Ein CheckIn, ob alles passt“, erinnert sich Andrea S.. „Ich war ja schon älter, aber ich denk‘ mir, es ist hilfreich, wenn jüngere Frauen und Mädels, die in einen technischen Beruf gehen, Unterstützung bekommen, zum Beispiel, wenn sie nicht mit dem schroffen Ton zurechtkommen.“ Sie selbst hat auch erlebt, dass man sich als Frau in einem typischen Männerberuf „ein bisschen umstellen muss, weil die untereinander anders reden“, aber das war und ist für sie kein Problem.

Ihr Alltag besteht nun aus allem rund um Kraftfahrzeuge: „Es gibt nichts, wo gesagt wird, das darf nur ein Mann machen, das darf eine Frau machen. Das, was anfällt, muss man auch machen, da gibt es keine Unterschiede“, ist sie zufrieden mit ihrem Arbeitsumfeld. „Manchmal Elektrik, manchmal Getriebe ausbauen, dann wieder eher Kleinigkeiten, irgendwas tauschen oder so. Alles, was so ein LKW hat oder braucht. Oder PKW, weil wir auch diese TGs haben, also diese Kastenwägen. Wenn da was kaputt geht, da muss man dann halt tauschen oder Fehler suchen, alles Mögliche.“

Breit gefächerte Ausbildungsmöglichkeiten

Das FiT-Programm bedeutet aber nicht nur an Autos zu schrauben, sondern die Ausbildungsmöglichkeiten sind breit gefächert. Exenberger: „Von einem Lehrabschluss als Köchin oder Tischlerin über ein Kolleg im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen bis zu einem Bachelorstudiengang in Informatik ist alles möglich.“ Fachhochschulstudiengänge sind im FiT-Programm förderbar, solange der Frauenanteil unter 40 % und der Technikanteil über 50 % liegt, und es ein Vollzeit-Studium ist. In Wien gibt es auch besonders viele Facharbeiter*innen-Intensiv-Ausbildungen, wie zum Beispiel Garten- und Grünflächengestaltung, Betriebslogistik, Labortechnik, Fahrradmechatronik oder Tischlerei. Und dann wartet noch eine ganze Palette an Metall- und Elektroberufen, darunter Erneuerbare Energien oder Mechatronik.
 
Andrea S. entschied sich für eine Doppellehre: Nutzfahrzeugtechniker*in mit Systemelektronik. Vier Jahre dauerte die Ausbildung, aber sie bereut keine Sekunde davon. Im September 2022 schloss sie mit der Lehrabschlussprüfung ab und wurde von ihrem Lehrbetrieb direkt übernommen. „Und jetzt bin ich schon fünf Jahre da“, freut sich die junge Frau, die noch einmal ganz neu angefangen hat und sich einen
Kindheitstraum erfüllt hat.

Andrea S. wurde beim arbeit plus Wien-Mitglied ABZ*AUSTRIA beraten und arbeitet bei MAN.

„Ich würde nichts anderes machen wollen.“
Andrea S.

„Da ist wirklich viel möglich im FiT-Programm.“
Corina Exenberger, ABZ*AUSTRIA