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Engagierter Vater mit sozialem G’spür

Zufrieden lächelnd sitzt Raffael N. im Büro seiner früheren Wirkungsstätte, im SOMA Sozialmarkt des Wiener Hilfswerks. Kaum zu glauben, dass der energiegeladene Mann vor knapp zwei Jahren am Ende war, nicht mehr weiterwusste. Er, der schon so viel gegeben hatte und noch so viel geben wollte, konnte einfach nicht mehr, außer Form und deprimiert benötigte er selbst dringend Hilfe – aber beginnen wir einfach im Jahr 2021.

Krankenpfleger zu werden, war Raffael N. ein besonderes Anliegen, da er seine Mutter und seine Großmutter palliativ begleitet hatte: „Meine Oma hat mir gesagt, bevor sie verstorben ist, dass ich in die Pflege gehen sollte, weil ich das sehr gut mache.“ Mitten in der Ausbildung brach die Coronapandemie über alle herein: „Mich hat das ziemlich aus der Bahn geworfen, weil meine Frau zu dem Zeitpunkt schwanger war, alles plötzlich unsicher war… Leute in der Pflege haben gesagt, wir werden alle krank, wir werden alle sterben“, erzählt N.. Die Angst, die Ungewissheit, die Gesamtsituation verstörten den angehenden Pfleger derart, dass er die Ausbildung nicht weiterführen konnte, einen Nervenzusammenbruch hatte – „ich bin in ein tiefes Loch gestürzt“. Eine lange Pause wollte er aber auf keinen Fall: „Wenn ich schon in einem Loch bin, dann fall‘ ich noch tiefer rein, wenn ich nur zuhause sitze und keinen Auftrag hab‘.“

Ein junger Mann im dunklen Hemd steht vor dem Sozialmarkteingang des Wiener Hilfswerks

Ein Anruf rettete ihn: Susanne Predler, im SOMA Sozialmarkt des Wiener Hilfswerks für Coaching und Outplacement zuständig, bot ihm einen Job an. Raffael N. nahm sofort an und die Aufgaben als Verkaufs- und Lagermitarbeiter bereiteten ihm von Anfang an Freude. „Die Arbeitsanleiter*innen, die Vorgesetzten, das Team sind spitze, ich hab‘ gemerkt, hier will ich sein. Das war meine Therapie. Ich hab‘ dadurch wieder zu mir gefunden, ich hab‘ gemerkt, ich bin nicht unnötig, ich bin nicht unwichtig“, erinnert sich N. daran, wie es steil bergauf ging für ihn. Die unterschiedlichen Aufgaben begeisterten ihn, gaben seinem Leben wieder Sinn.

„Er war engagiert, er wollte anpacken. Auch um rauszukommen aus seiner Sinnkrise. Das war schon spürbar, dass da viele schwierige Dinge sind“, lässt Susanne Predler die erste Zeit Revue passieren. „Ich glaube, am meisten haben wir ihn tatsächlich unterstützt, indem wir ihn einfach so genommen haben, wie er ist. Und dass er hier wirklich arbeiten konnte.“ Raffael N. wollte sich auspowern – und neben einem positiven Effekt für seine Psyche wirkte sich das auch körperlich aus: „Ich bin jetzt viel fitter, mir taugt das“, freut er sich. Im SOMA lief es für ihn immer besser, er war überall einsetzbar – zum Schluss sogar an der Kassa, was er eigentlich nicht angestrebt hatte. Heute ist er froh über die Kassaerfahrung, denn in seinem nächsten Job kamen ihm all die Sachen zugute, die er im SOMA lernte und übte. „Ich hab‘ viel über Warenwirtschaft gelernt, hab‘ auch viele Sachen machen dürfen, die mit mehr Verantwortung verbunden sind. Es hat mir Spaß gemacht. Ich komm‘ noch immer gern her und freu mich, dass es diese Möglichkeit, diese Zeit für mich gegeben hat“, lächelt er dankbar.

Ein junger Mann im schwarzen Hemd und eine Frau mit grauen Haaren und Jeansjacke.
Raffael N. mit Susanne Predler, seinem „Engel, der mich gerettet hat in einer sehr, sehr schlechten Zeit“

Auch privat lief es bestens – sein Sohn kam auf die Welt. Beim Hilfswerk hatte man Verständnis, wenn er Pflegefreistellung benötigte, denn Raffael N.s Frau ist in einer verantwortungsvollen Ministeriumsanstellung oft unabkömmlich. Hier im Sozialmarkt lernte er auch viele Menschen kennen, die sich in prekären Situationen befanden, oft jemanden zum Reden brauchten. Und da war er wieder, der soziale Aspekt, der N. antrieb und der auch ein Grund dafür ist, dass er anschließend in einem anderen Sozialmarkt tätig war und nicht in irgendeinem Supermarkt: „Das ist schon etwas, wofür man wirklich Feingefühl und Fingerspitzengefühl haben muss.“

Fast eineinhalb Jahre ist es nun her, dass Raffael N. nach einem sehr erfolgreichen Praktikum in einem anderen Sozialmarkt startete. Seitdem hat sich viel getan. „Als ich kam, gab es genau einen Chef, eine Chefin und einen Mitarbeiter“, erzählt der mittlerweile 43-Jährige. „Das war nicht mehr zu bewerkstelligen, vieles ist liegengeblieben. Ich hab‘ dann gleich angepackt, das war ich eh vom Hilfswerk gewöhnt, und hab‘ Ordnung reingebracht.“ Nach einem halben Jahr schon kam der Karrieresprung zum Filialleiter-Stellvertreter. Schließlich wurde Raffael N. dank einiger Fort- und Weiterbildungen auch Brandschutzwart, Ersthelfer und Mitarbeiter beim Katastrophenschutz, wo ihm die abgebrochene Pflegeausbildung zugutekam: „Dadurch konnte ich mich auch um Leute kümmern, die eine Anamnese brauchen.“ Zusätzlich war Raffael N. zuständig für jene Haftentlassenen, die in diesem Sozialmarkt über eine Kooperation mit Neustart arbeiten.

"Ohne das Hilfswerk wäre das alles nicht gegangen"

„Mein Leben hat sich grundlegend verändert. Zum Positiven! Ich bin nicht mehr der gleiche Mensch“, resümiert N. dankbar. „Als ich hier (Anm. SOMA Hilfswerk) reingekommen bin, war ich wirklich ein gebrochener, ängstlicher Typ – und jetzt… Da bin ich wirklich sehr dankbar. Ohne das Hilfswerk wäre das alles nicht gegangen.“ Ein wichtiger Punkt, warum alles so gut ging: im Hilfswerk werden alle Menschen so angenommen, wie sie sind.

Susanne Predler: „Wir bemühen uns um ein familiäres Umfeld, weil wir merken, dass die Leute froh sind, dass sie angekommen sind. Dass sie akzeptiert werden. Mit all den ,Rucksäcken‘, mit denen sie kommen.“ Einziges Anforderungsprofil: Die Teilnehmer*innen müssen körperlich so fit sein, dass sie heben und tragen können. Vermittelt wird naturgemäß hauptsächlich in den Handel, aber wenn jemand die Beschäftigung im SOMA ausschließlich als Wiedereinstieg sieht, gibt‘s natürlich auch Bewerbungen in andere Branchen.

Raffael N. war beim arbeit plus Wien-Mitglied SOMA Sozialmarkt (Wiener Hilfswerk) beschäftigt und anschließend Filialleiter-Stellvertreter in einem anderen Sozialmarkt.
 

„Jeder Mensch möchte das Gefühl haben,
gebraucht zu werden. Das tut gut.“
Raffael N.

"Wir bemühen uns, dass sich die Teilnehmer*innen
wohlfühlen und wieder Vertrauen fassen.“
Susanne Predler, Wiener Hilfswerk