Ihre Karriere ist auf Schiene
Sie kennt sich aus, sie fühlt sich wohl und sie ist stolz auf „ihren“ Betrieb – das merkt man sofort, wenn Emma-Lisa H. selbstbewusst durch die moderne ÖBB-Lehrwerkstätte Wien im zehnten Bezirk führt. Diese Sicherheit hatte sie nicht immer. Nachdem sie die AHS-Ausbildung in Hollabrunn abgebrochen hatte, wusste sie nur eines ganz genau: Sie wollte arbeiten und eigenes Geld verdienen. Wohin ihr Weg sie führen würde, war ihr damals noch nicht wirklich klar.
Zunächst war die heute 19-Jährige einige Zeit beim AMS arbeitslos gemeldet und suchte auf eigene Faust einen Lehrplatz. Die Frage war nur, in welche Richtung gesucht werden sollte. „Bei mir war das größte Problem, dass ich nicht wusste, was ich machen will, und nur wusste, was ich nicht machen will“, erinnert sich Emma-Lisa H..
sprungbrett für Mädchen gab Orientierung
Bei der Lösung dieses Problems konnte sprungbrett für Mädchen helfen: „Es war eine der größten Hilfen, dass man jemanden hat, der einem zeigt: ,Schau, das alles kannst du machen. Schauen wir uns das an, und wenn dir das gefällt, dann helfen wir dir dabei, dass du in der Richtung einen Job kriegst.‘ Oder in meinem Fall eben eine Lehre.“ Innerhalb des halben Jahres, das die junge Frau bei sprungbrett verbrachte, kristallisierte sich heraus, dass sie „irgendetwas mit Technik“ machen wollte, genauer gesagt etwas mit Mechatronik oder Veranstaltungstechnik.
Besonders hilfreich waren die Exkursionen in verschiedene Firmen und die Gesprächsrunden mit anderen Mädchen, die in eine ähnliche Richtung tendierten. Bei diesen Runden werden auch immer wieder so genannte „Role Models“ eingeladen, die schon in dem Bereich arbeiten, und alle Fragen der Mädchen beantworten.
Bei einer der Exkursionen mit sprungbrett besuchte Emma-Lisa H. bei einer Info-Veranstaltung für technische Berufe den Stand der ÖBB und wurde zum Mädchentag eingeladen. Dort erhielt sie eine Führung durch eine der Werkstätten, absolvierte einen Logiktest und führte auch gleich ein Vorstellungsgespräch für einen Lehrplatz in ihren Interessengebieten Elektrotechnik und Mechatronik – „und dann haben sie gesagt: ,Das schaut jetzt schon mal super aus‘“, erinnert sich Emma-Lisa an diesen entscheidenden Punkt in ihrer Berufslaufbahn. Jedem, der ihr gesagt hätte, dass sie keine technische Lehre machen könne oder solle, weil sie ein Mädchen sei, hätte die energische junge Frau gehörig ihre Meinung gesagt. „Ich wollt‘ was machen, was ich noch nie gemacht hab‘, ich wollt‘ was Neues lernen.“
650 ÖBB-Lehrlinge, davon 101 Mädchen in Technik
Jetzt ist sie begeistert dabei, und es stört sie auch nicht, sich beim Zerlegen von Dingen schmutzig zu machen oder dass in ihrem Lehrjahr 23 Burschen nur zwei Mädchen gegenüberstehen. „Hier in der Lehrwerkstätte Wien sind momentan 650 Lehrlinge in Ausbildung“, erklärt Ausbildungsleiter Alois Grill. „Von diesen 650 haben wir 101 Mädchen in der Technik.“ Ein Team von 50 AusbilderInnen betreut die Lehrlinge in den Bereichen Maschinenbautechnik, Elektroanlagen-Betriebstechnik, Elektronik und Telekommunikationstechnik, Mechatronik-Automatisierungstechnik sowie Gleisbautechnik und Metallbearbeitung. „Wir haben diese jungen Leute zwei Jahre bei uns im Haus. Nach dieser Basisausbildung, die sehr modular erfolgt, geht’s raus auf die Strecke oder in die technischen Services, wo Züge repariert, serviciert, gewartet werden.“ Emma-Lisa H. beispielsweise ist gerade in der Außendienststelle Jedlersdorf für Klimatechnik zuständig, also für Heizkörper und Lüftungen in den Zügen.
Knapp zehnjährige Zusammenarbeit
Mit dem Verein sprungbrett für Mädchen arbeiten die ÖBB bereits seit fast einem Jahrzehnt zusammen. „Wir haben da schon 30, 40 Mädchen nachhaltig in die Technik gebracht“, freut sich Alois Grill. „Bei sprungbrett werden die Mädchen wirklich gut betreut, auch im Nachhinein oder parallel. Bei Themen, die wir nicht abdecken können, hab‘ ich eine Kontaktperson, an die ich mich wenden kann und wohin ich die jungen Frauen schicken kann. Die sind auch sozial sehr dahinter, ich muss sagen, die sind extrem engagiert. Und auch kritisch. Wir stellen uns ja jedes Jahr dem Ranking vom amaZone-Award, und da muss eine Firma auch schon was mitbringen. 2018 haben wir gewonnen“, fügt Grill nicht ohne Stolz hinzu.
Auch Emma-Lisa H. hat nach wie vor Kontakt zu sprungbrett: Sie könnte sich jederzeit mit Problemen und Fragen an die Beraterinnen wenden und wird regelmäßig zu gemütlichen und informativen Treffen eingeladen. Manchmal fungiert sie auch als Role Model und berichtet Mädchen, die selbst noch keine Lehre gefunden haben, über ihre Erfahrungen.
Weiterführende Karriereoptionen locken
Ihre Arbeit und das Lernen machen ihr Spaß, und sie freut sich, dass es für Lehrlinge die Möglichkeit gibt, weiterführende Karriereoptionen zu nutzen: „Man kann noch ein Modul machen über die Lehre hinaus. Meine Lehre dauert dreieinhalb Jahre, und wenn ich dann fertig bin, mach‘ ich einen kleinen Test. Und dann könnte man zum Beispiel ein halbjähriges Modul machen zum Fahrleittechniker.“ Ein derartiges Engagement begeistert auch den Ausbildungsleiter: „Wenn ich von Zeit zu Zeit in Dienststellen komme, sehe ich immer wieder ehemalige Lehrlinge von mir, die es schon in Führungspositionen geschafft haben, die AbteilungsleiterInnen, WerksleiterInnen sind – und das freut einen natürlich.“
Allgemein begrüßt Alois Grill den Wandel, der sich in den Werkstätten in den letzten zehn bis 20 Jahren vollzogen hat: „Die Frauen in der Technik haben sehr viel Kultur reingebracht. Das Niveau, die Umgangsformen, das hat sich extrem verbessert. Es gibt viel mehr Miteinander, die Damen haben viele neue Ideen eingebracht.“
Emma-Lisa H. wurde beim arbeit plus Wien-Mitglied Verein sprungbrett für Mädchen beraten und absolviert ihre Lehre bei den ÖBB.
„Wenn man anfängt,
springt man halt ins Unbekannte rein.“
Emma-Lisa H.
„Ich kann nur jeder Firma sagen,
wenn junge Frauen gesucht werden
für die Technik,
da ist sprungbrett die erste Adresse.“
Alois Grill, Ausbildungsleiter
ÖBB-Lehrwerkstätte Wien