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Sie bringt Sonne ins Leben alter Menschen

Eine nette, gepflegte Wohnung in Wien-Landstraße, vom Wohnzimmerfenster sieht man auf den noch im Winterschlaf liegenden Botanischen Garten. Ein Rollator und ein Rollstuhl stehen im Zimmer, auf einem kleinen Kästchen liegen Medikamente und viele Salben, ein Regal voller kleiner Katzenfiguren zeugt von der Liebe der Bewohnerin zu den Samtpfoten. Auf dem Ecksofa gehen Ulrike W., die ihr geschientes Bein hochgelagert hat, und Selvi P., ihre Betreuerin vom Volkshilfe-Besuchsdienst, gerade die Einkaufsliste durch. Zwischen den beiden herrscht eine ganz besondere Vertrautheit.
Selvi P. kümmert sich rührend um die alte Dame, die durch einen wachen Geist und jugendlichen Elan besticht. „Seit zehn Jahren werd‘ ich jetzt von der Volkshilfe betreut“, erzählt Ulrike W., die früher in der Pension selbst ehrenamtlich bei der Caritas Socialis Freude ins Leben von Menschen brachte, die niemanden zum Reden hatten. Jetzt ist sie aufgrund ihres kaputten Beines selbst auf Unterstützung angewiesen und freut sich, in Selvi P. eine so wunderbare Betreuerin gefunden zu haben.

Der Sohn braucht viel Betreuung

Dabei hatte Selvi P. ursprünglich ganz andere Pläne: Vor 19 Jahren kam sie aus der Türkei nach Wien, arbeitete zunächst als Reinigungskraft in einem Altersheim. Nach der Karenz machte die zweifache Mutter eine Ausbildung zur Kindergartenassistentin, fand aber in diesem Bereich lange keinen Job. „Das war nicht leicht für mich“, erinnert sie sich, „weil mein Sohn Autist ist, und da war es sehr schwierig wegen der Arbeitszeit, weil er mehr Betreuung braucht.“ Schließlich erzählte sie ihrer AMS-Beraterin, dass sie unbedingt arbeiten wolle. „Und da haben wir eine Visitas-Werbung gesehen, und ich sagte: ,Das interessiert mich, das möchte ich machen, das möchte ich versuchen. Wegen der Arbeitszeit ist das vielleicht schwierig, aber ich möchte schauen, ob es einen Weg gibt.‘ Und so bin ich zu Visitas gekommen“, berichtet Selvi P..

Eine Frau Ende 30, jugendlich wirkend, mit langen, dunklen zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren vor einem geöffneten Kühlschrank
Selvi P. hat ihren Traumberuf gefunden
Vier Frauen unterschiedlichen Alters auf einem Sofa
v.l.: Swantje Meyer-Lange (Visitas), Ulrike W., Selvi P. und Lisa Jeglitsch (Volkshilfe Wien)

Visitas ist ein reines Frauenprojekt und beschäftigt interessierte Arbeitsuchende im Bereich Besuchsdienst. „Meine Aufgaben waren Einkaufen, Wirtschaftsbuch führen, Wege erledigen wie Bank, Arzt, Apotheke, aber auch gemeinsame Spaziergänge und Gespräche sowie Begleitung und Unterstützung bei Terminen“, zählt die heute 39-Jährige auf. „Es war eine sehr schöne Zeit, alle waren freundlich und hilfsbereit, und ich habe viel Unterstützung bekommen.“  Visitas-Projektleiterin Swantje Meyer-Lange schwärmt geradezu von ihrer ehemaligen Mitarbeiterin: „Sie ist bei allen KundInnen gut angekommen, jeder hat Selvi vermisst, als sie weg war. Das war eine ganz tolle Betreuerin. Und ich mach‘ den Job jetzt 17 Jahre – da spürst ja auch, wenn jemand geeignet ist.“

Schließlich bewarb sich Selvi P. bei der Volkshilfe als Mitarbeiterin im Besuchsdienst und wurde prompt eingestellt. Mit dem Besuchsdienst der Volkshilfe Wien verbindet Visitas bereits seit 2004 eine Kooperation. „Die Volkshilfe hat immer schon Personal für Dienstleistungen aufgenommen, wo man keine Ausbildung braucht. Das macht sonst kein anderer sozialer Anbieter. Daher war die Volkshilfe für uns immer schon ein sehr interessanter Betriebskontakt. Weil eben auch Frauen ohne Pflegeausbildung dorthin vermittelt werden können“, erläutert Swantje Meyer-Lange.

"Ich freue mich, wenn ich die KundInnen sehe"

Der Vorteil für den Arbeitgeber liegt auf der Hand: „Die Frauen haben bei uns schon monatelang ihre soziale Kompetenz in der Arbeit unter Beweis gestellt. Und wir kennen sie und ihre Stärken ganz genau.“ Auch liegen die Beschäftigungsbereiche ganz nah beieinander, wie Lisa Jeglitsch von der Volkshilfe Wien ausführt: „MitarbeiterInnen im Besuchsdienst übernehmen Einkäufe, Amts- und Arztwege beziehungsweise begleiten unsere KundInnen dabei. Zusätzlich leisten sie ihnen Gesellschaft – von Gesprächen über Spiele bis hin zu Spaziergängen und kleinen Ausflügen ist vieles möglich. So erhalten die KundInnen Sicherheit in ihrem Alltag und können ihre Mobilität erhalten.“
„Das ist der richtige Job für mich“, sagt Selvi P. nach einem Jahr bei der Volkshilfe. „Ich bin sehr zufrieden. Und auch die Vereinbarkeit passt – alles passt.“ „Na überhaupt, wenn sie zu mir kommt“, meldet sich Ulrike W. zu Wort. „Und ich freue mich ja auch, wenn ich die KundInnen sehe, und denk‘ mir in der Früh: ,Heute ist Freitag, da seh‘ ich wieder die Frau W.‘ … ich freue mich, wenn ich zu den KundInnen gehe, das macht mir Spaß“, versichert P. fröhlich.

Doch dann wird sie ernst: „Es ist wichtig, Empathie im Job mitzubringen. Und respektvoll, hilfsbereit und geduldig zu sein. Weil für ältere Leute werden die Dinge schwierig – für manche körperlich, für manche seelisch. Ich hab‘ eine Kundin gehabt, die hat ihre Tochter verloren, sie war traurig, es war wirklich schwierig für sie. Und ich bin einfach bei ihr gesessen, ich hab‘ einfach zugehört, hab mir gesagt: ,Das Einkaufen mach‘ ich später, das ist jetzt wichtiger, jetzt muss sie mit jemandem sprechen.‘ Die Kundin hat so viel geweint, aber dann hat sie mir gesagt, dass sie dankbar ist, dass jemand bei ihr sitzt und einfach zuhört. Das hat mich gefreut, dass ich ihr damit helfen konnte. Man braucht schon Herz für den Job. Es geht nicht nur darum, schnell mit der Arbeit fertig zu werden und zu gehen. Ich möchte die Leute wirklich froher machen.“ Dabei geht in ihrem Gesicht die Sonne auf, und man hat das Gefühl, dass hier ein Mensch seine wahre Bestimmung gefunden hat und damit nicht nur selbst sehr glücklich ist, sondern auch vielen anderen Menschen ein bisschen Licht und Glück ins Leben bringt.

Selvi P. war beim arbeit plus Wien-Mitglied Visitas  (Wiener Rotes Kreuz)  beschäftigt und arbeitet  jetzt im Besuchsdienst der  Volkshilfe Wien.

„Wenn die Kundinnen wieder lächeln, wenn ich mich verabschiede,
ist  das für mich wunderbar.“
Selvi P.

„Visitas und die Volkshilfe Wien pflegen schon seit Jahren eine erfolgreiche Zusammenarbeit,
das beste Beispiel dafür ist unsere Selvi.“
Lisa Jeglitsch, Volkshilfe Wien