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Frischgebackene Karriere mit Turbostart

Ein ganz normaler Februartag: Restaurantmanagerin Anastasiia M. beendet wie gewöhnlich gemeinsam mit ihren Mitarbeiter*innen den Dienst und macht sich auf den Heimweg. Niemand ahnt, dass das Restaurant nie wieder aufgesperrt werden wird – denn am nächsten Tag, dem 24. Februar 2022, herrscht plötzlich Krieg! Anastasiia und ihre Mitarbeiter*innen sind nie wieder zur Arbeit zurückgekehrt.

Wie so viele ukrainische Frauen entschied sich die Restaurantexpertin, das Land zu verlassen. Aber wohin sollte sie sich wenden: nach Osten, wo ihre Eltern wohnen – doch dieses Gebiet wurde damals von Russland okkupiert – oder in Richtung westliche Ukraine, wo es damals noch sicher war? Schließlich brach die junge Frau mit ihrer Schwiegermutter Richtung Westen auf, kam in ein Lager für Vertriebene. Und dann hörte sie von einem Bus, der nach Österreich fahren und sie mitnehmen würde. Mutig ergriff sie die Chance, obwohl sie vorher nie in Erwägung gezogen hatte, einmal in Österreich zu leben – am 3. März 2022 erreichten die beiden Frauen schließlich Wien.

Eine junge blonde Frau legt eine Scheibe Leberkäse in eine Semmel

Dankbar erinnert sich Anastasiia M. an die österreichische Familie Ritter, die sie bei sich zuhause aufnahm und sie in jeder erdenklichen Weise unterstützte: „Sie haben mit mir gesprochen, damit ich mich öffnen konnte“, erzählt sie. „Sie haben mir erklärt, wie ich eine blaue Karte für Vertriebene bekomme, und dass ich mich beim AMS anmelden soll.“ Dort wurde die Geflüchtete dem Volkshilfe-Beratungsprojekt #ukr.workinaustria zugebucht. „Das Projekt war ganz neu, Anastasiia war eine unserer ersten Kund*innen“, erinnert sich Projektleiterin Natallia Donner. „Als sie zu uns ins Projekt gekommen ist, war ihr Ziel sich schnell zu integrieren, einen Job zu finden, damit sie selbstständig sein kann. Und ihre Eltern – die Mama ist Lehrerin und der Papa Pensionist – finanziell unterstützen kann.

„Es gibt zwei Kategorien von Kund*innen“, weiß Natallia Donner. „Die, die unbedingt in ihrem Fachbereich arbeiten wollen und sich aufs Deutschlernen konzentrieren und sich erst dann bewerben, wenn die Deutschkenntnisse ausreichen. Und dann gibt es die, die sofort einen Job haben wollen, sie arbeiten dann häufig in der Gastronomie und Hotellerie.“ Für alle jedoch ist die muttersprachliche Beratung zu Beginn wichtig. „Unsere Teammitglieder beherrschen entweder Ukrainisch oder Russisch. Und sie verfügen über eine kulturelle Affinität zur Ukraine und können die Denkweise
und Bedürfnisse besser verstehen.“

Eine junge Frau mit blonden Haaren in Leberkas-Pepi-T-Shirt udn eine junge Frau mit braunen Haaren im weißen T-Shirt und Blazer
Anastasiia M. hat es mit Unterstützung von Natallia Donner und deren Kolleg*innen beruflich sehr weit gebracht.

Anastasiia M. bekam von ihrer Beraterin einige interessante Jobangebote, hatte einmal ein Vorstellungsgespräch als Stubenmädchen, beschloss aber, auf ihre Qualifikation in der Gastronomie zu setzen und in diesem Bereich zu suchen. Eines Tages wandte sich der Chef von „Leberkas-Pepi“ mit einem ganz besonderen Anliegen an Natallia Donner: Er wollte Vertriebene aus der Ukraine einstellen. Drei Mitarbeiter*innen suchte er – die
Chance für M.. Sie wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen – und prompt eingestellt. Obwohl sie damals noch kaum Deutsch konnte, überzeugte sie den Chef mit ihrer Erfahrung und ihrem kompetenten Auftreten. „Er hat damals gesagt, dass er an sie glaubt“, freut sich Natallia Donner.

Mit seinem Gespür für gute Mitarbeiter*innen lag der Leberkas-Pepi-Chef jedenfalls goldrichtig: Obwohl der Start in der Filiale im Donauzentrum für die Ukrainerin vor allem aufgrund der sprachlichen Defizite eine Herausforderung war, konnte sie ihre Stärken ausspielen, war nach kurzer Zeit bestens eingearbeitet, backte Semmeln und Leberkäse, sorgte für Sauberkeit. Sie hatte bereits die wichtigsten Sätze gelernt – „vor allem: schneller machen!“, lacht Anastasiia M.. Nach zwei Monaten machte sie bereits Kassadienst, kannte sich bei allem aus, erledigte Aufgaben noch bevor sie dazu aufgefordert wurde. Im Herbst betrieb „Leberkas-Pepi“ einen Stand beim Tennisturnier in der Stadthalle und lernte M. als zuverlässige, fähige Mitarbeiterin kennen, wie geschaffen für verantwortungsvollere Tätigkeiten. Nach einer Bewährungsprobe in der Filiale am Hauptbahnhof, die sie trotz der hohen Kund*innenzahl perfekt meisterte, bot ihr der Chef an, die Niederlassung im Donauzentrum zu leiten. Freudig nahm sie die neue Chance an und feierte heuer bereits einjähriges Jubiläum bei Leberkas-Pepi.

Die Arbeit hat immer Priorität

Die neue Aufgabe bedeutet nicht nur größere Verantwortung, sie ermöglicht es Anastasiia M. auch, in Wien Fuß zu fassen. An eine Rückkehr in die Heimat ist derzeit nicht zu denken – dort hat sie zu viele traumatische Erfahrungen gemacht. Wenn die Rede darauf kommt, wird sie sehr ernst, ist sichtlich bewegt. Ihr Mann ist dort zurückgeblieben. Er betrieb ein Geschäft, aber das Lager wurde bombardiert und komplett zerstört. Einmal hat sie ihn seit ihrer Flucht getroffen – „wir haben Kontakt nur mit dem Handy“, sagt sie knapp. Die Mutter kam sie kürzlich besuchen, ihren Vater hat sie seit der Flucht nicht mehr gesehen. Der berufliche Erfolg ermöglicht es Anastasiia M., nicht nur den Eltern zu helfen: Mit einer freiwilligen Organisation organisierte sie eine Winterhilfe für die Ukraine, damit die Schüler*innen gut ausgestattet sind, wenn sie bei Bombardements in die kalten Luftschutzkeller flüchten müssen. „Wenn ich in der Ukraine leben würde, hätte ich weniger finanzielle Möglichkeiten zu helfen. Außerdem ist es dort schwer, einen Job zu finden.“

Besser Deutsch zu lernen ist nach wie vor Anastasiia M.s Ziel, aber durch die Vollzeitbeschäftigung bleibt keine Zeit für einen Sprachkurs. „Ich lerne selbständig zuhause am Wochenende“, erklärt sie, die Arbeit hat aber nach wie vor höchste Priorität.

Anastasiia M. wurde beim arbeit plus Wien-Mitglied Volkshilfe Wien beraten und ist jetzt Filialleiterin bei „Leberkas-Pepi“.
 

„Es war eine große Hilfe, dass die Beraterin beim Bewerbungsgespräch übersetzt hat.“
Anastasiia M.

„Weil wir die Bedürfnisse der Kund*innen sehr gut verstehen, können wir das Angebot entsprechend anpassen.“
Natallia Donner